MITGLIEDER
Text von:Roland Grohs
Der Baum und der Mann und die Frau und der Sohn
Ein Mann starrte einen Baum so lange an, dass der Baum herunterkam und ihn umhaute. Seine Frau war sehr betroffen, schlug auf den Baum ein, zerschnitt mit den Fingernägeln die Rinde. Sie wollten den Mann zurück. Die Frau versuchte ihn herauszuziehen. Weil der Baum nur dalag und nicht nachgab, wühlte sie mit den Händen im lehmigen Boden, scheiterte jedoch beim Versuch, den Mann oder den Baum gänzlich auszugraben und legte sich zu den über den Grund hinausragenden Wurzeln. Da überfiel alle drei tiefe Müdigkeit. Die Frau rührte sich nicht mehr, ebenso wenig der Mann oder der Baum. Der Sohn blieb allein. Morgens stand er auf – allein –, machte sich einen schwarzen Tee, ging zur Schule – allein –, lernte, verlernte. Er kaufte sich beim Schulbuffet vier Extrawurstsemmeln für daheim. Der Sohn ging nachhause, grüßte den Vater und die Mutter und den Baum. Er schritt über die Wiese, die Schwelle der Tür, setzte sich aufs Sofa – einsam und verlassen – und biss in die erste Semmel. Der Sohn kaute, sah eine Weile aus dem Fenster, betrachtete manchen Passantenkopf, der zwischen bedrückt zuckenden Schultern wipfelte. Schließlich schaltete er den Fernseher ein, weil er den Krieg gegen den Baum nicht fortführen wollte.