MITGLIEDER
Text von:Barbara Deißenberger
Und was schreibst du so?
„Und was schreibst du so?“ – „Romane“, sage ich. „Identität und Umweltschutz sind immer wieder ein Thema.“ – „Aha.“ Marcel nimmt einen Schluck Prosecco und schweigt. Elise grinst: „Wenn ich mal ein Buch schreiben würd’, müsste ich bloß mein Leben hernehmen. Da geht’s zu.“ – „Ja?“ – „Einmal war ich so fett, dass ich mich schon vor Mitternacht angspiebn hab’. Fand ich lustig.“ – Marcel kommt in Fahrt: „Und ich träum’ immer so wilde Sachen. Zum Beispiel von meiner Ex. Sie räkelt sich vor mir und hinter ihr taucht eine Anaconda im Bett auf, die ‘Guckguck‘ macht.“ – „Super“, sage ich. „Kann ich das in meinem nächsten Buch verwenden?“ Marcel gibt Daumen hoch, leert sein Glas und meint: „Das Buch würd’ ich lesen wollen!“ – „Ich kann dir gern auch noch was aus meinem Leben erzählen“, bietet Elise an. Ich nicke. Elise nimmt ein Brötchen vom Buffet und Thimothy gesellt sich zu uns: „Warum schreibst du nicht drüber, was in deinem Leben passiert?“ – „Stimmt. Autobiografisches interessiert immer.“ – „Na ja“, Elise kaut an ihrem Brötchen. „Es sollte schon auch was hergeben.“ – „Mindestens eine Anaconda im Bett“, grinst Marcel. Wir lachen. – „In meinem ersten Roman“, sage ich dann, „wird eine Siebenjährige von einem Vierzehnjährigen vergewaltigt. Das lesen die Leute gern autobiografisch.“ Verunsichertes Schweigen. Nur Timothy schaut interessiert. – „Das hab’ ich mir ausgedacht“, füge ich hinzu. – „Na dann …“ Elise gönnt sich den letzten Bissen vom Brötchen und trinkt Aperol Spritz nach. Zwinkert mir Timothy jetzt zu oder hat er was am Auge? „Und dein zweites Buch?“ fragt Marcel. – „Handelt von Natur und Malerei,“ antworte ich. – „Aha.“ Marcel blickt in sein leeres Glas. – „Wenn’st wirklich was aus meinem Leben übernehmen magst …“ Elise weist Richtung Buffet, als wäre dort ihr Leben angerichtet. Mit Blick auf Timothy sage ich: „Es gibt einen flotten Vierer in meinem zweiten Roman. Und eine Psychotherapiesitzung kommt vor.“ Lang, kurz, kurz zucken Timothys Augen im Daktylus. Wenn das nicht pathologisch ist, hab’ ich eben einen neuen Leser gewonnen.