MITGLIEDER
Text von:Katrin Butt
Die possierlichen Tierchen (Auszug)
Die possierlichen Tierchen schauen so ähnlich wie putzige Insekten aus. Sie sind meistens rosa mit weißen Längsstreifen und haben schillernde, vibrierende, bläulich - silber schimmernde Flügel, die im Sonnenlicht glitzern. Sie haben Nasen, die wie Hundeschnauzen aussehen und große Glubschaugen. Am frühen Nachmittag, auch abends, krabbeln sie oft auf allen vieren in der Wiese in ihren Gärten vor ihren Einfamilienhäusern immer im Kreis, um ihre Grillplätze und Gartentische herum. Überall stecken sie ihre kleinen blauen Fahnen in die Erde.
Auf diesen blauen Fahnen ist das braune Zeichen für Kot zu sehen, daß mit einem lustigen Gesicht übermalt worden ist. Wenn man genau hinsieht, sieht man fahle, unheimliche Fratzen, wie Geister aus ihnen hervorschreien. Doch die possierlichen Tierchen und ihre Anführer sehen diese Geister nicht. Die possierlichen Tierchen sind in jeder Stadt aber auch oft am Land anzutreffen. Dort sitzen sie vermehrt hinter ihren Gartenzäunen, hinter ihren schönen Blumen und neben ihren Gartenzwergen und Glöckchen und erwarten mit freudigen Augen die Ankunft der Postboten. Sie bellen laut, wenn einer vor ihrer Gartentüre stehenbleibt, weil sie glauben, daß sie Hunde sind. Das trifft in gewissem Sinn auch zu, weil sie jedem, der eine Art Uniform trägt, mit wedelndem Schwanz und heraushängender hechelnder Zunge hinterherlaufen. Die weiblichen possierlichen Tierchen haben meistens schöne, oft blonde modische Frisuren mit Stirnfransen und sind oft Influenzerinnen und Gestalterinnen von Liveschmink- Tutorials auf YouTube, in denen sie die ausgefallensten Schminkideen vorführen und sagen, was ihnen aus dem Mund fällt. Diese Weibchen sind oft blassrosa und gehen mit ihren Stöckelschuhen und ihren farbigen kleinen Handtaschen die Landstraßen auf und ab. Es wurden schon einige von ihnen gesehen, die frisch und fröhlich mit Skateboards Richtung Großstadt unterwegs waren. Später sah man sie mit einem Lastwagen die Autobahn entlang fahren. In dessen Anhänger hatten sie Flüchtlinge, sogenannte Boatpeople hineingesteckt. Sie wollten sie an einen sicheren Ort bringen, dort wo sie sicher keiner mehr findet, um sie umzubringen. Ihre Chefs und Chefinnen sind die Maharajas, die eigentlich keine sind, da sie ja Österreicher sind, die meistens viel Bier trinken und mit viereckigen Handwerkskoffern herumrennen und Tirolerhüte oder sonstige Trachtenhüte am Kopf tragen. Die Männer der possierlichen Tierchen haben es gern, bei Zeltfesten zu lauter Krachmusik in braunen Lederhosen mit den Frauen, die körperbetonte Dirndln tragen, Hand in Hand im Kreis herumzuhüpfen. Der Unterschied zwischen den Maharajas und den kleineren possierlichen Tierchen besteht darin, daß die Bierzelte, Riesenräder, Vergnügungsparks, die Zuckerwatte und Pommes Frittes der Marahajas größer als die der possierlichen Tierchen, auch Untertierchen genannt, sind. Für die viel kleineren possierlichen Tierchen wurde extra das Milliardenbudget aufgestockt, um diese Dinge für sie viel kleiner zu produzieren oder zu bauen. Wo kämen wir da auch hin, wenn so ein kleines possierliches Tierchen in einem großen Riesenrad fährt, dann fällt es ja durch und ist dann ein Gatsch und tot und dann hätten alle den Salat. Gerne und oft sitzen die Maharajas der possierlichen Tierchen jedoch in ihren großen Bierzelten und grölen zu den dazugehörigen Gstanzln gewisser Musiker und Musikerinnen. Maharajas ernähren sich von Fleisch. Zum Beispiel vom Frischfleisch in Form von Fleischmusikstücken, die sie als Lobfleisch und Anbetungsfleisch verspeisen, auch als Fleischfleisch, als Fleischknödel ,Schweineschnitzel und Hendln im Übermaß. Die Maharajas haben einen Plan, den sie gemeinsam in ihren großen Zelten besprechen, den sie mit Rülpsen und lautem Schreien untermauern. Dazu trinken sie viel Bier, daß auch vorzüglich dazu geeignet ist, das Fleischfleisch in ihren Mägen schneller zu zersetzen. Sie trinken ihre Biere Maß für Maß und kommen auch oft in Bayern und in manchen anderen Teilen Deutschlands vor. Bei ihren Grillfesten schreien die possierlichen Tierchen laute Parolen, die von den Marahajas ausgegeben wurden. In anderen Ländern werden Menschen oft gezwungen, Parolen vor sich hinzusagen oder zu schreien. Doch in Österreich tun die possierlichen Tierchen das freiwillig. Sie schreien freiwillig Parolen wie „Ausländer raus!“ und beißen sich dabei in ihren eigenen Arsch. Für sie ist dieser zwar ein guter Freund einerseits, da er sie von den Knödeln und Schnitzeln befreit, aber auch wieder ein Fremder im eigenen Land, denn er ist das Sinnbild des körperlichen Gesundheitssystems und der Befreiung bedrückenden Abfalls. Doch da ihnen der Vorgang geistiger Ausscheidung seelischen Unrats völlig fremd ist, ist er ihnen auch irgendwie fremd und unheimlich. Ein Ausländer sozusagen. Die Damen der possierlichen Tierchen treffen sich oft in den Einfamilienhäusern zu Kaffeeklatsch und Tratschkränzchen. Sie schauen dabei zwar immer noch wie possierliche Tierchen aus, doch ihr Blick ist böse wie der eines Monsters. Manchmal aber werden ihre Augen wässrig, wenn sie an die Sandstrände der Urlaubszeit ihrer Kindheit, die sie in Orten wie Caorle oder Rimini verbrachten, denken müssen, auf denen sie vor langer Zeit mit ihren Eltern abhingen, Sandburgen bauten und eine lustige Zeit verbrachten. Daran erinnern Sie sich gerne, aber nur kurz, denn dann bekommen sie wieder diesen bösen Blick, der so böse ist, daß er sie im tiefsten ihres Herzens eigentlich schmerzt. Während sie mit ihren Nachbarn nebeneinander mit großen Gartenscheren die Hecken schnippeln, schneiden sie gemeinsam mit ihren Worten an dem Scherenschnitt der Unmenschlichkeit und Erbarmungslosigkeit.