MITGLIEDER

Text von:
Florian Arnold

Die Rückseite der Geschichte

Jahrelang hielt der Zug sehr pünktlich um 7:12, um 11:45 und um 19:21 in Zylkmanden, aber niemand stieg ein und niemand stieg aus. Der Zug schnaufte am Bahnsteig, Blätter wehten hin und her, es war sehr still. Der Schaffner sah aus dem Fenster auf den zementenen Bahnsteig, hinter dem sich eine weite grüne Einsamkeit räkelte. Der Zugführer saß kerzengerade und blickte geradeaus, bereit, nach den pflichtgemäßen 5 Minuten Standzeit wieder loszurasen. Von weitem sah eine Frau dem stehenden Zug zu, sie hatte früher einmal Bockwürste am Bahnsteig verkauft. Sie seufzte und drehte sich weg.

So ging das viele Jahre und eines Tages hielt kein Zug mehr in Zylkmanden, dessen Name schnell vergessen wurde.
Vermutlich hat dort ohnehin niemals jemand gewohnt.

Die Rückseite der Geschichte:
Die Bewohner von Zylkmanden waren sehr klein, von Anfang an. Im Laufe der Zeiten wurden sie immer kleiner: Jede Generation war noch einmal ein paar Zentimeter kürzer als die vorangegangene. Als endlich eine Zugverbindung auch für Zylkmanden eingerichtet wurde, waren sie kaum noch größer als Frischgeborene, und ein paar Jahrzehnte später schon waren sie zu klein, um ohne Hilfsmittel den Bahnsteig zu erklimmen. Und eines Tages waren sie so winzig geworden, daß sie vom ganzen Rest der Welt einfach übersehen und vergessen wurden. Eines Tages hielt kein Zug mehr in Zylkmanden, dessen Name schnell vergessen wurde. Man ging einfach davon aus, daß dort niemand mehr wohnte.