MITGLIEDER

Text von:
Raoul Eisele

wie an Fingern verstaubt

wann haben meine Finger zuletzt den Boden
berührt, mein Körper vollends gedehnt
ausgestreckt und ohne ein Beugen
der Knie, war wohl als Kind zuletzt
so gelenkig, so dreckig an Fingern
wenn ich meine Mutter rufen hörte
wo warst du denn jetzt schon wieder
    wasch dir die Hände, gleich gibt Abendbrot

halte mir die Augen vorm Badezimmerspiegel
zu, so ein wenig und immer mit einer
Fingerspalt-Breite, will nicht nichts sehen
und doch so manches lieber verschwommen
bloß kein Adlerauge, das hatten wir
    einander geschworen, das wäre zu viel des Guten
    da sehe man selbst Vergrabenes noch allzu gut

und ich denke an meine Schwester, an die
Staubflocken, die wir uns zuwarfen und
wie sie unsre Mutter nun pflegt, dieses
alte Haus wie Haut betritt, als wäre sie immer noch
Kind mit viel zu viel Verantwortung, wie ich sie
vermisse, wie sehr mir ihre Anwesenheit doch fehlt;
wäre ich nicht gegangen, höre ich sie sagen
wäre ich dem gleichen Schicksal erlegen
    es ist besser so und reicht mir die Hand
    mit ihren staubigen Fingern, Lebewohl
            und lässt mich ziehen