MITGLIEDER

Text von:
Britta Badura

Vernachtungen

Ich schäle und schabe, mit Zestenreißern, die Nacht in lange Mondsicheln und webe sie mir in den Kopf voller Widerhaken. Im Glasglockenkarussell wird mein Atem zu Veilchenweiß, Tulpengrau und Klatschmohngrün. Ich siebe die Stunden, klebe Fugen zu rotgoldenen Terrassen und kratze das Glück aus den Löchern. Im Hintergrund Rosen aus Glanzlichterketten, Brombeeren im Topf. Hyazinthe war das Wort! Soll ich ein Mensch für dich werden?

Voller Ungeduld male ich Flügel in das feinverstäubte Erträumte. Unter französischen Laternen sammle ich Sorgen auf, die nicht mehr meine sind, die in Fenstersimsen blühen und in alten Liebesliedern stottern. Die Zeit der Perlen ist gekommen und macht mich so klein, dass ich in einem Narzissenblatt durch deine Flüsse fortsegeln könnte. All der Kummer, der den Rest der Jahre verfärbt und Träume verkühlt! Wenn du nicht bei mir bist, wer bin ich dann?  

Jetzt brechen wir das ausgetrocknete Nachtgehölz und werfen es hinter uns, in Luft, die flirrt vor Staub, der in den Augen kratzt, und mich tränen macht. Eine Stille steht zwischen unseren Rissen, aus denen verdorrte Blätter und Wurzeln fallen. Ich habe Eierlikörkuchen gegessen und nebenher den Schmerz seziert (Schicht um Schicht). Ich ranke mich immer noch um dich. Goldschattengewächs und Mohnkapseln in unseren Mündern! Wann setzen wir unser Gestern fort?

In dieser Nacht habe ich die Mauern weggeschwemmt. Lilienstimmen drücke ich dir ins Ohr, die Haare ein Korb voller Anemonen, Margeriten und Gerbera. Aufgekratzt ein Blütenmeer in mir, kirschschwarz. Ich sehe Flatterflügel mit Boxhandschuhen, atme den Wind ein und werfe Hexen hinter mich. Der Leuchtturm sendet unablässig meinen Wunsch, ganzherzig zu werden! Jeden Morgen sehne ich mich nach Blumennamen, die ich nicht aussprechen kann.

(erschienen im DUM Nr. 92)