MITGLIEDER

Text von:
Adi Traar

Textauszug

Beginn der Erzählung "Papa Spione (Version 0.9)"
(veröffentlicht in Reibeisen Nr. 36).

Geyer erwachte wie durch den Auspuff geschleudert. Ein un­aufhörliches Gebrumme hatte sich all die Jahre in ihm festge­tönt, irgendwo im Kopf eingenistet, sodass er jetzt, wo es nicht mehr da war, aus den Träumen viel. Die Hauptver­kehrsader der Stadt schien angezapft, die Autos herausgelas­sen wie bei einem Hauptverkehrsaderlass – kein Motorenlärm drang wie sonst bis zum zweiten Stock des Fachwerkhauses her­auf und durch die drei Kastenfenster herein.
Es war wie damals, als er von zu Hause ausgezogen war, um alleine zu leben, und er des Nachts immer aufwachte, geweckt vom Baby, das nicht mehr da war. Da hatte sich das Baby längst in ihm festgetönt, irgendwo im Kopf eingenistet. Eine Art Phan­tomschmerz musste es gewesen sein, und das Babyphantom geisterte durch die Wohnung. Oder es waren die Gedanken an das Kind, die ihn den ganzen Tag umkreisten und sanft berührten wie Seifenblasen, ehe er sie anpustete, sodass sie verpufften und als Schaumflocken an seine Gehörkanäle andockten, dort verblieben, eingerichtet auf all die Jahre.