MITGLIEDER

Text von:
Simon Konttas

Szenen und Gedanken, wahllos notiert an einem sonnigen Junivormittag

3
Sie rafft ihr gelbes Sommerkleid, wagt sich
in den Keller, die Mutter der drei Volksschulkinder,
die Torte zu holen. „Gibt’s hier Mäuse?“, quiekt sie.

4
Die vorzeitig gealterte Jungfer betet
ihr karges Gebet, spürt den Druck auf der Brust
bei der Vorstellung, wie er sein Mädchen küsst.

9
Der heiße Kreis, den der Mittag schlägt
mit dem Zirkel der Sonne: jenseits von ihm
vielleicht der laue Ekel, in dem alles im Kreis geht.

10
Wie dieser Baum da bin ich, an dessen Fuße
das herabgefallene Vogelhäuschen zertrümmert liegt:
dieses Bild ermüdet sie. Sie will es nicht begreifen.

11
Ein altes Foto, das sie als junges Paar zeigt
vor vierzig Jahren. Das alte Radio auf dem
sepiafarbigen Bild steht noch immer da vorm Fenster.

19
Vor dem verfallenen weißen Holzhäuschen
im hohen Unkrautgras parkt ein Wagen. Er sagt:
Sicherlich die Drogendealer. Ich: Ach was, die Angler.

21
Das dicke kleine Vögelchen saß auf der Zaunlatte
im mückenschwirrenden Abendlicht, machte einen Hüpfer,
öffnete den Schnabel. Eine Mücke weniger von Tausenden.

22
Er behauptet, er empfände Wohlwollen für mich.
Ich glaub’s aber nicht. Warum regt ihn dann alles
auf, was ich sage, was ich tue, warum wohl?

24
Ihr weißes Mehlgesicht im Sarg unter der hellen
Neonlampe, die spitz herausragende Nase, in
ängstlicher Entfernung vom Sarg: Sohn, Frau, Kinder.

33
Die Mäusekacke oben auf dem Holzboden wie kleine
Knabberkörnchen im Zimmer mit dem schmalen Bett,
dem alten Fernseher. Wo er sie von hinten fickte.

35
So ein sorgloser Diktator wie früher wär’ ich zuweilen gern
wieder: kaum war ich eine Woche im Haus, ließ ich mir
das Klavier, den Schaukelstuhl ankarren.