MITGLIEDER

Text von:
Rebecca Heinrich

Entweder Westen oder Donau. Liebe unter Gespenstern (Auszug)

Wir gehen im Prater entlang, das Karussell ist mir fremd. Zwischen den spottenden Pferdehäuptern lachen die zerschlissenen Sättel. Das Dach hat ausländische Löcher und die Nacht ist den Lichtern hier fremd. Flutend fließen die Vergangenheiten über den Asphalt, der wie treibendes Öl an der Meeresoberfläche glänzt. Wir drehen uns, obwohl wir kein Zwei-Euro-Stück für die Maschine hatten, doch sehe ich ihre Finger fliegen, im Rauch meines Atems. Wenn es jetzt losstartete, würden wir uns dagegen drehen, wir würden Fäden sehen, die sich in Blitze verwandelten und die Haltlosigkeit dieser Hitze durchziehen. Gespenster fliegen über das Riesenrad, küssen sich unter der Kabine des Riesenrades. Wir wählten den Spätsommer, und wir wählten ihn bewusstlos.

Beide stehen sie am Eingang, und dort sollten sie nicht sein. Das war es, was vermittelt wurde, das war es, was das Gras zerdrückte. Fußtritte am Erdboden, eine Lacke und Lichter, in der Ferne. Wer sich hier noch umtrieb, der suchte nach Alkohol, nach Zigaretten, nach Berührungen, den flüchtigen. Sie fanden sich hier den Ort, an dem sie sich die Zeit nahmen. Den Schlüssel zu den Wohnungen in der Tasche, beide. Da und dort Betten. Leer und belegt. Ungemacht und gepflegt. Über beiden Laken die schwere Decke. Und Nachttisch, und Wasserglas, und die Brillen, drei. Eine studentisch, dunkelbraun, eine schwarze, so kleidet sich die Arbeit, eine fällt aus ihrem Rahmen.

Wir sind in einer Wohnung. Das ist nicht deine Wohnung und es ist auch nicht meine Wohnung. Du hälst den Kopf weit oben, sage ich. [...]

erschienen in: Heinrich, Rebecca (2018): Entweder Westen oder Donau. Liebe unter Gespenstern. In: komplex – Kulturmagazin Innsbruck 9, S. 25–26.