MITGLIEDER

Text von:
Marlene Gölz

Passage aus der Erzählung Promise Piece

Aus Malinas überheblicher Art hat sich Branko nie etwas gemacht. Er wusste einfach gar nichts mit der Frau anzufangen, die eines morgens bei ihm in der Küche saß. Euer Tisch wackelt, hat sie gesagt und er nichts darauf geantwortet. Die One-Night-Stands seines WG-Kollegen interessierten ihn nicht und nachdem er sich Kaffee gemacht hatte, verzog sich Branko wieder in sein Zimmer. Doch Malina kam immer wieder. Der schweigsame Tscheche mit den kurzgeschorenen Haaren hatte es ihr angetan, viel mehr als der WG-Kollege, mit dem sie die Nacht verbrachte, nur um morgens Branko am geöffneten Küchenfenster stehen zu sehen, seine Schultern, die sich durch den T-Shirt-Stoff abzeichneten, die schmalen Hüften in der Jogginghose, und die kleine Narbe an der Augenbraue wenn er sich schließlich zu ihr wandte und Tabak anbot. Malina versuchte dann, still zu sein, was ihr nicht leichtfiel. Nichts hab ich ihm zu bieten, dachte sie. Doch ihn neben sich zu wissen, seine Hände zu betrachten, die eine Zigarette drehten, seinen Nacken, den sie so gerne berührt hätte, war ihr Anreiz, wochenlang so oft wie möglich in die heruntergekommene Wohnung in Lichtenberg zu kommen, bis es dem WG-Kollegen aber zu dumm wurde mit ihr. Woraufhin Malina eine Party bei sich zuhause veranstaltete, nur um Branko einladen zu können, der erst irgendwann gegen 3 Uhr morgens sturzbetrunken bei ihr aufkreuzte und Tage später immer noch bei ihr war. Sie verließen die Wohnung nur, um sich im Spätkauf ums Eck Essen zu besorgen. Hungrig waren sie aber nicht besonders, sie hatten ja sich.
Als sie sich langsam der Welt wieder zuwandten, zeigte Branko Malina ein Berlin, das sie nicht kannte. Und umgekehrt.

(Passage aus der Erzählung Promise Piece, erschienen 2019 in: Lichtungen 157/30)