MITGLIEDER

Text von:
Waltraud Zechmeister

BHUTO

Der Schatten tanzt
über die Wand.
Dein Arm folgt ihm
will ihn erhaschen
will ihn fassen.
Der Schatten hüpft und springt.
Dein Arm dreht und wendet sich
nach allen Seiten,
doch der Schatten
entschlüpft ihm
unentwegt.

Du beugst dich vor,
lauscht dem Tanz
des schwarzen Schattens
auf der weißen Wand.

Du streckst dich nach oben,
der Schatten wird  lang und länger,
läuft mit seinen schwarzen
Spinnenfingern
Über die weiße Wand.

Du krümmst dich zusammen,
wirst klein und kleiner.
Auf der Wand
Der Schatten ein Klumpen
Schwarzen Golds.

Dein Arm wäscht aus
deinem gekrümmten Körper,
der schüchterne Vorbote
einer wunderbaren Rose.

Der Schatten dreht sich
auf der weißen Wand.
Er zuckt.
Er schwankt
im Rhythmus der Musik,
die seine Bewegungen begleitet.

Dein Arm schwingt auf und ab,
die Rose ist erblüht
in ihrer glänzenden Schwärze
auf der blanken Wand.

Du schickst deinen zweiten Arm
auf die Reise,
er begleitet die Rose,
beschützt sie zart und fein.

Der Schatten legt einen
Sicheren Schirm
Über das zarte Gespinst –
Schwarz auf weißer Wand.  

Du springst auf deine Beine
zum Paukenschlag
der Musik.

Der Schatten wippt
auf und ab,
zittert leise vor sich hin,
er erzählt die Geschichte
deines Sprungs.

Dein Arm schnellt vor,
den Schatten zu fassen.
Doch dein Arm ist zu kurz,
dein Arm ist zu plump / ungelenk.

Der Schatten – schnell wie der Wind –
tanzt mit seinen
Spinnenbeinen
auf der glatten Wand.
Blitzschnell huscht er
über die Decke des Raums.

Du lauscht
seiner Geschichte,
verlierst dich bewegungslos
in ihr.

Da – ein Akkord laut und klar.
Du springst.
Du dehnst dich im Sprung.
Du landest auf dem Boden –
schwarz und glatt –
du drehst dich gelenkig
um dein Achse
wieder und wieder.
Dein Körper strahlt
weiß und klar
in der Farbe,
die du vorhin
aufgetragen hast.

Der Schatten an der Wand
grinst hohl.
Er ist dir schon wieder
einen Schritt voraus –
schwarz auf weiß.
Du gleitest ihm nach
mit einer behänden Drehung –
weiß auf schwarz.

Grazil
entledigst du dich
des Oberteils
deines Gewandes –
das Weiß deines Körpers
noch mehr zur Geltung bringend.

Der Schatten bewegt sich
In Zickzacklinien
Über die Wand,
deine Bewegungen
nachahmend
und gleichzeitig
vorwegnehmend.

Dein Kopf wirbelt
in einer wilden Drehung
durch den Raum,
gefolgt von deinem  unbändigen,
schwarzen Haar –
Spinnwebenaureole
für dein weiß
geschminktes Gesicht.

Hinterher hetzt
Dein Körper,
tappen die schwarzen Fiebern
des Schattens
über die glatte Mauer.

Ein gutturaler Laut
Entwicht deiner Kehle,
unterlegt von dem
zarten Vibrato der Musik.

Deine schwarz geschminkten Augen
bohren ihre Blicke
in das Publikum.
Sie sehen aber nur den Einen,
ganz vorn in einen Stuhl gelehnt.

Er wendet sich ab,
du springst zurück,
die glatte Wand dein Ziel –
die Grenze deiner Welt.

Du siehst dem Schatten zu,
wie er seine
zittrigen Bahnen zieht.
Der zieht dich
In seinen Bann.
Er diktiert dir
Die Bewegungen.

Du krümmst dich.
Du drehst dich.
Du streckst dich,
wirbelst um deine Achse –
dein geschminkter Mund
ein rotes Band über den
Spinnenbeinen des Schattens.

Du fängst dich
mitten in der Bewegung –
ein Paukenschlag der Stille
folgt dem Staccato
der Bewegung,
bevor lauf der Applaus im Saal aufbrandet.

Doch deine schwarz geschminkten Augen
Suchen nur den Einen –
sein Platz ist leer.
Ein Stich
geht durch dein Herz.
Der Beifall
Bedeutet dir nichts.

Der Schatten an der Wand zittert.
Er spürt deine Trauer,
er spürt deine Angst.

Der Beifall ebbt ab.
Der Saal leert sich.
Deine Augen verschwommen.
Die Schminke verwischt.

Da – ein Ruck.
Du stolperst über die Bühne,
der Schatten bebt,
der Schatten weint.

Der Eine steht vor dir –
Wut im Blick,
Scham im Herzen.
Er zieht dich von der Bühne.

Leise wimmert der Schatten
an der Wand.

Du zitterst unter den Worten des Einen,
der dir gebietet,
nie mehr weiß dich zu schminken,
nie mehr auf der Bühne zu stehen
nie mehr der Geschichte des Schatten zu lauschen.

Dein Herz blutet.
Deine Lippen zittern.
Du beugst den Kopf
vor den Worten des Einen.

An der Wand der Schatten -
er färbt sich rot.