MITGLIEDER

Text von:
Eva Holzmair

Textprobe aus „Rose, Löwe, Rosmarin“

Schweigend marschiert Leo neben Tonschi. Der Schneefall hat nachgelassen, der Wind nicht. Tonschi fragt, ob Leo schon wisse, welche Geschichte er heute erzählen werde. Er meint, das hänge vom Vater ab. Die vom Golem, schlägt Tonschi vor. Nein, die nicht, die sei nur für sie und ihre Mutter bestimmt gewesen. Der Golem würde den Vater noch fahriger machen. Aber er sei doch ein Schutzpatron, wirft Tonschi ein. So groß und stark wie der Heilige Christoph. Leo bleibt unter einem Vordach stehen.

- Tonschi, der Golem kommt nicht wieder. Er ist nur mehr ein Lehmhaufen auf einem Dachboden.

Tonschi schaut zu ihm auf.

- Oba der Dochbod‘n is’ in aner Kirch’n. Do kaunn no’ vü‘ g’scheh‘n.

- Hör mir gut zu. Der Golem ist kein Heiliger. Er wurde vor langer, langer Zeit für die Menschen in der Prager Judenstadt zum Leben erweckt. Sie hat er beschützt, nicht die anderen.

Tonschi denkt nach. Du manst, mia san de aunder'n, sagt sie in den nächsten Windstoß hinein, der sie so eisig durchbeutelt wie die gerade gewonnene Erkenntnis.