MITGLIEDER
Text von:Magda Woitzuck
Ich hörte daraufhin lange nichts
Ich hörte daraufhin lange nichts von Art Brinkman und meldete mich auch nicht bei ihm, nicht zuletzt Paul zuliebe. Aber ich dachte sehr oft an ihn. Mitte Dezember bekam ich ein silberfarbenes, quadratisches Kuvert mit der Post zugestellt. Die geschwungene Handschrift darauf kannte ich nicht, aber der Poststempel war aus den USA und ich freute mich – bis ich es öffnete. Es enthielt eine Hochzeitseinladung. Art Brinkman und Marianne Gracia Flaubarge wollten sich am 26. Dezember desselben Jahres in New York das Ja-Wort geben, im selben Standesamt, in dem Art meine Mutter geheiratet hatte.
Ich rief ihn umgehend an.
„Art“, sagte ich, „Sie ist noch nicht einmal ein Jahr tot.“
„Ja“, antwortete er, „Das war mir wichtig.“
Ich wurde so wütend, dass mir keine Worte einfallen wollten, ein paar Mal klappte mein Mund auf und zu, wie bei einem Fisch, den jemand an die Luft gesetzt hatte.
„Marianne braucht eine Aufenthaltsgenehmigung“, sagte Art schließlich diplomatisch, dann fügte er, weniger diplomatisch, „Und ich liebe sie“, hinzu.
„Woher kennst du sie?“
„Von der Universität.“
„Eine Kollegin?“
„Nicht direkt. Also nicht in diesem Sinne.“
„Eine Studentin?“, die Entrüstung ließ mich laut werden, „Du bist 64! Was denkst du dir eigentlich dabei?!“
„Nichts“, sagte er, „Sie ist keine Studentin. Sie ist Raumpflegerin. Ein ehrlicher, schöner Beruf. Da sieht man wenigstens ein Ergebnis, nicht so wie bei uns. Immer nur Bücher, Bücher, Bücher. Bücher fangen an, mich zu nerven. Sie ist aus Frankreich.“
„Aus Frankreich“, sagte ich.
„Im weitesten Sinne“, erklärte er, „Deswegen müssen wir heiraten.“
„Im weitesten Sinne“, echote ich, „Ist sie aus Haiti, oder was?“
Er blieb lange still, dann sagte er: „Ich weiß auch nicht, warum ich deine Klugheit immer unterschätze.“
„Eine haitianische Putzfrau“, sagte ich, „Wie alt ist sie, 22?“
„25“, beeilte er sich zu sagen, „Aber sie ist sehr reif für ihr Alter.“
Diesmal war ich es, die auflegte.