MITGLIEDER

Text von:
Helwig Brunner

IM OHR

IM OHR die Vielfärberei, der bunt gebauschte Tagrausch, das eingeordnete Glück. Ich starre dumm, erstarre in einer Schönheitsangst und rufe ganz leise: Nachts wirf keinen Schatten! Er ginge verloren. SCHLAF IM FEUERBETT, verlaß den Körper durch sein Porenkleid, verabschiede dich mit dem Rauch. Wir suchen Kühlung, ins Blaue aufsteigend verblassen wir. Gut, daß wir an Träumen verankert sind, die uns rechtzeitig eintauschen gegen die Abwesenheit. Morgens wars dann der Tau, der uns löschte. DER GESCHICHTE FEHLT ein Erzähler. Ihre Gegenwart ist bloß ein Blick zurück ins Auge, oder seitwärts, verstohlen, ein Lauschen nach Nebengeräuschen. Wir vermuten einander, wo sonst, im Dachsbau unter der Haut, bei Regen kommen wir hervor, trotten seelenruhig dahin, spurlos. Die Wege im Farn sind es, Blättchen im Pelz machen uns flüchtig: da streift sich etwas ab! Und es passiert durch die Nase, blind, die Kraft wächst, nur noch selten bin ich ihr gewachsen. ES GEHT VORAN, beiderseits gegen- einander bis zum Stillstand, der schrillt vor sich hin, seine Spannfeder das Chiasma der Visionen. Aus dem lichten Schlaf, der Aussaat und Ernte verbinden soll, sind alle jetzt auf eine falsche Art erwacht. Mechanik und Zeitlehre gelten, der Schmutz im Laken ist Blut, aufgezwungener Samen, das Unglück nicht zu unterscheiden von den Krähen vorne überm Feld.

Quelle: Gedichte entnommen aus: Deppert, F. u. a. (Hrsg.): Stunden, die sich miteinander besprechen. Literarischer März 11. Brandes & Apsel, Frankfurt am Main 1999.