MITGLIEDER
Text von:Dine Petrik
Bibliotheca Alexandrina
Wahrscheinlich bauen sich Frauen und Männer divergente Gerüste hinab in das Meer dieser Geschichten. Dies wäre mein Gerüst: Kleopatra hat meine Bewunderung, wenn auch nicht dort, wo sie die erprobte ptolemäische Logik aufgreift und anstehende Thronanwärter beseitigen lässt. Sie erklärt mir das abgegriffene Wort "Emanzipation", die ich, wie ich es sehe, heute noch nicht beherrsche. Sie macht das, was den Männern vorbehalten ist, sie steht als Symbol für die Frau, die die vorgegebene Laufbahn dieser Götter durchbricht. Um das zu vollziehen setzt sie vor allem Intelligenz ein, Weitblick, pragmatische Durchsetzungskraft, Mut und zweifellos Weiblichkeit, jugendliche Schönheit. Sie riskiert und setzt alles auf dieses Spiel: Lieber selbstbewusst und mit geschminkten Augen, als buhlen und das Gesicht verlieren. Die Welt steht Kopf nach ihrem Grenzgang. Vor allem der ach so demokratische und aufgeklärte Stadtstaat Rom. Sein etwa fünfhundertköpfiger Senats- und Vorstandsmitgliederclub sieht die Frau gern am Herd stehen. Hingegen ist die Ptolemäerin seit jeher berechtigt zu sehen, wo sie zu stehen kommt. Die familiäre Gefahr ist vorbei. Kleopatra darf ihr Glück unbeschwert genießen, ihre Triumphe als Pharaonin, als Frau.
Sie sieht Ägypten gerettet, mehr noch, insgeheim schmiedet sie ehrgeizige Pläne. Cäsar ist Vorbild, Vertrauter, politischer Partner. "veni, vidi, vici", das war ihr Mann, der sich im Handumdrehen der Aufstände entledigt, der sich diverser pompeischer Truppen annimmt, die sich da und dort noch zu rühren wagen. Und dieser geniale Welteroberer war Vater ihres Sohnes! Der rastlose Cäsar. Er war längst wieder fort. Kleopatra war von römischen Legionären umstellt, nichts konnte passieren. Die Invasion war glücklich vorüber. Alexandria: Wau! Eine Entgrenzung! Ein Rausch! Herrscher über Rom? Was ist das schon. Diktator ist mehr. Diktator auf Lebenszeit will er sein. Zurück in Rom, mit allen seinen Siegen. Siege von Spanien über Gallien bis Britannia. Jetzt stand er in Nordafrika. Ein riesiges Reich, das er sich zusammengekriegt hatte. Jahrelang hatte er Rom den Rücken gekehrt, war er neben seinen Soldaten im Morast gestanden. Jetzt musste gefeiert werden; Triumphzüge, die Beuteschätze mussten präsentiert werden, in Ketten Arsione. Nachher verzeiht er, schenkt ihr das Leben, lässt sie in Ephesos internieren. In Ehren empfängt er Kleopatra VII. Philopator in Rom. Und dieses entzückende Kind. Alles herschauen! Aber was tun mit Cäsarion. Offiziell anerkennen? Niemals! Die Römer toben. Ägyptische Hure, murren sie. Geiler Bock, schimpfen sie. Längst hatte sich ja herumgesprochen, dass Cäsar sich an der Front den jungen Nicomedes als Lustknaben gehalten hatte. Kleopatra entschließt sich zu bleiben. Viele Monate lang hält sie Hof. Sie beherrscht etliche Sprachen, ist eine kluge Gesprächspartnerin. Cäsar begegnet ihr souverän-arrogant. Er weiß, sie hat Pläne. Er hat andere Pläne. Er weiß sie ist genial. Emotional. Unbescheiden. Selbstbewusst. Niemals langweilig. Sie ist wie er. Sie ist eine Gefahr, sie ist eine Gefahr und ein Fremdkörper in Rom. Die Auguren lächeln nichts Gutes: Die Iden des März nähern sich.
Zurück nach Ägypten. Cäsars Ermordung stürzt Kleopatra VII Philopator in Depressionen und Probleme. Ihre Pläne um das Imperium sind gefährdet. Das Imperium ist in Gefahr. Ihre Pläne um Cäsarions Zukunft (Kleiner Cäsar) sind gefährdet. Cäsarions Leben ist in Gefahr. Sie liebt ihn abgöttisch. (S. 63 f)
Quelle: © 2005, Verlag Sonderzahl, Wien.