MITGLIEDER

Text von:
Konstantin Kaiser

Saint Georges de Didonne

Man geht in das von der landwirtschaftlichen Genossenschaft betriebene Weinlager (cave). Vor dem "Keller", einer hangarähnlichen Weinfabrik, werden auf der Rampe Pfirsiche verkauft. Das Mädchen, das bei den Pfirsichen steht, sie abwiegt und das Geld einstreicht, bewegt sich leicht, mit einem Lächeln; die Luft, die Welt setzen ihr keinen Widerstand entgegen. Erst wenn das Lächeln nach dem kurzen Verkaufsgespräch schlagartig heruntergefallen ist, wird einem klar, daß das Mädchen nicht die Tochter oder sonst eine Verwandte des Bauern ist, sondern für ein paar Stunden engagiert wurde, Pfirsiche zu verkaufen.

Die Allgegenwart der Patrons, ob sie nun männlichen oder weiblichen Geschlechtes sind: Ich sah das, besonders in kleineren Geschäften, in New York. Wer da eine bezahlte Arbeit hatte, durfte in der Arbeitszeit keine Sekunde sich selbst gehören. Die Kunden waren rasch und höflich abzufertigen, der eigene Leib war zwischen den Kundeneinsätzen straff bereitzuhalten. Ganz ähnliches erwarten sich die französischen Patrons, wenn sie schon einmal, widerwillig genug, für eine Arbeit bezahlen. Sie bestehen auf einer Fassade; dahinter erst, in den hastigen Aufbrüchen zu schlampigen Weekends, beim Bepacken des Kombiwagens mit allerlei Hobbygerät, beginnt die Sphäre der Behaglichkeit (...)


Quelle: Notiz, Juli 1994, uveröffentlicht