MITGLIEDER
Text von:Ulrike Winkler-Hermaden
Aus: Seemann spricht
Heute Nacht besuchte mich Jeschofnig. Könntest du mir bitte mein Herz zurückgeben, es ist so leer in meiner Brust, hörte ich seine Stimme sagen. Ja, komm vorbei. Es ist im Marmeladenglas, links hinten im Kühlschrank.
Als Jeschofnig weg war, räumte ich meine Wohnung auf. Alle unnötigen Dinge verpackte ich in große schwarze Säcke. Überflüssiges Geschirr und überflüssiges Gewand kamen weg. Ich sortierte Bücher aus. Ich vernichtete alte Briefe. Andenken, die nicht im Kopf sind, müssen nicht aufbewahrt werden. Viel zu viel Kleidung hing und lag im Kasten. Vier Paar Schuhe sind genug. Alte Handtücher kamen weg. Alte Bettwäsche kam weg, zwei Garnituren sind genug. Die schwarzen Säcke füllten sich, die Wohnung wurde leer.
Es musste ausgemalt werden. Herr Köpke aus dem Kaffeehaus hatte Zeit. Gleich am nächsten Tag begann er mit der Arbeit. Pünktlich um 8 Uhr stand er vor der Tür. Zuerst muss alles abgedeckt werden, sagte Köpke. Er hatte Plastik und Klebebänder mit. Er wollte nicht, dass ich helfe. Gehen Sie doch spazieren, sagte Köpke. Als ich am späten Abend wieder nach Hause kam, hatte die Wohnung eine zweite Haut. Alles war hinter Plastik verschwunden. Wenn ich hier fertig bin, räume ich alles wieder weg, und Sie müssen nicht putzen, sagte Köpke. Ich gab ihm Geld für Farbe und Pinsel. Bis morgen, sagte Köpke, und weg war er. Ich sah ihn nie wieder.
Jede Bewegung in der Wohnung war von einem Knistern und Knacksen begleitet. Ich fand die Wohnung, die sich hinter dem Plastik schemenhaft abzeichnete, interessant, aber ich wusste, dass dieser Zustand nicht von Dauer sein konnte. In der Nacht träumte ich. Plötzlich, im Finstern der Nacht, tauchte er auf. Köpke? Bist du da? Keine Antwort. Ich versuchte, mich an den Mann zu erinnern. Er war groß und hager. Er hatte dunkles, gewelltes Haar und eine gebogene Nase. Seine Finger waren gelb, er hatte immer eine Zigarette in der Hand oder er zog hastig daran. Er trug einen weißen Malermantel, und auf seinem Kopf saß eine weiße Kappe.
Ich fragte im Kaffeehaus nach, aber auch dort wurde er nicht wieder gesehen. Vielleicht sitzt er wieder, vermutete der Ober, oder er wurde abgeschoben, er ist Deutscher.