MITGLIEDER
Text von:Gerd Sulzenbacher
Die Fratze des Hauses
(…) Durch Berichterstattung, Memes und soziale Medien war gerade der Fußabstreifer in aller Munde, was neben dem historischen Ereignis wohl an seinem Wesen und seiner Verwendung liegt. – Fußabstreifer oder Fußmatten sind ebenso niedere wie gebieterische Objekte, die uns abverlangen, sie mit Füßen zu treten. Als Verwandte des Teppichs gründet ihre Realität auf dem Boden. Sie umfassen das kleine Gebiet diesseits der Türschwelle und markieren das äußerste Ende der Straße. Damit erinnern sie uns an den Dreck der Außenwelt, den wir herantragen und der wir sind, gleich ob wir die Schuhe nun demonstrativ abstreifen oder nicht. Es bleibt ein Zeremoniell und die Regeln des Hauses beginnen mit und auf ihnen. – Medial kursierten zwei Fotos. Sie zeigten je eine Matte mit hellgrauem Flor, darauf in blau Firmenlogo und Schriftzug, ein rutschfester Gummirand ringsum. Die Fußabstreifer auf den Fotos unterschieden sich allein darin, dass einer einen kleinen braunen Schmutzfleck an der Kante des Logos hatte, wie ein Ausfluss, der direkt aus der Zeichenwelt hervor triefte. Das Logo bestand aus einfachen, geometrischen Formen:
Drei Balken bilden ein auf der Unterseite offenes Quadrat, wobei die Balkenbreite je einem Fünftel der Seitenlänge entspricht und einen robusten Eindruck macht. Ein vierter, kürzerer, unverbundener Balken steht mittig dazwischen und darunter, um ihn ein leerer Ausschnitt. Ein stilisiertes, kleines m, mit Durchbruch am mittleren Stab. Liest man es figurativ, zeigt sich durch die Tektonik vielleicht ein Portal oder eine Tür. Zeichen, die stellvertretend für das Ganze, in diesem Fall für das Haus, die Immobilie stehen. Die drei Vertikalen zeigen Stabilität an, der einfache Querbalken vermittelt Schutz, die Geschlossenheit der Außenlinien Raum. Ein Haus besteht erstmal darin, dass es nicht in sich zusammenfällt. Kleinteiligere Lesarten können anschließend die Assoziation Schlüsselloch hervorrufen, was den allgemeinen Wunsch nach Sicherheit und firmitas um die Dimension des Privaten und des Besitzes erweitert, personalisiert und anleitet. Die Hand folgt dem Schlüssel. Dabei sagt das Logo nichts. Darin ist es am stärksten. Die archaische Einfachheit verschließt sich davor, etwas Tiefer- oder Dahinterliegendes preiszugeben; schon deshalb, weil sie tiefenlos ist, daher das Rätsel. Möglicherweise ist es noch flacher, banaler, und die stonehengige Redux-Architektur aus Tragen und Lasten hält piktogrammatisch einfach nur deswegen, weil die Idee eines unbeweglichen Sachguts bei einer Immobilien Holding nahe liegt. Man sieht, was man zu wollen hat. Nur die Normierung der Sehgewohnheiten bestimmt, dass ich aus den vier Strichen die gewohnten oder gewünschten Zusammenhänge herstellte, anstatt Hühnerstall, Einschaltknopf oder Einzelhaft, was nicht weniger logisch, nur weniger wahrscheinlich ist. Dahinter gekommen, sinn- oder schutzsuchend, lässt sich höchstens noch feststellen, dass es zwar Wege gibt, aber sonst nichts. Es hat kein Dort, und wenn es noch so verschlossen, noch so entfernt und unbetretbar scheint.
Überhaupt fehlt ihm der Boden, was sein Bild unterstreicht.